Maschinenbau am Scheideweg

November 2009

Reichen die Reserven der Rekordjahre aus, um den Krisenzeitraum zu überbrücken?

Der deutsche Maschinenbau hat in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten Rekordzahlen geschrie¬ben und jede Hürde genommen, die ihm seit Beginn des Jahrzehnts in den Weg gelegt wurde. Selbst eklatante Rohstoffpreisanstiege und der für den Export ungünstige Wechselkursverlauf von Euro zu US-Dollar haben das Wachstum nicht bremsen können. Auch die Krisen des Jahrzehnts, die durch die Internetblase und die Ereignisse um den 11. September gekennzeichnet waren, haben lediglich zu kurzfristigen Rückgängen, nicht jedoch zu lang anhaltenden Rückschlägen geführt. Damit ist das Segment Maschinenbau zu einer Paradeindustrie in der deutschen Branchenlandschaft avanciert.

Der Maschinenbau bietet mehr als 900.000 Arbeitnehmern in Deutschland Beschäftigung. Am Welthandel mit Maschinen beträgt der Anteil des deutschen Maschinenbaus knapp 20 % (USA mit 12%), die Exportquote liegt in Deutschland bei knapp 15 %.

Aber wie krisenerfahren ist die Branche, wie viel Erfahrung hat sie mit einer langen Durststrecke? Wann hat der deutsche Maschinenbau in den letzten zwei Jahrzehnten über einen längeren Zeitraum von der Hand in den Mund leben müssen?

Lediglich zweimal in den vergangenen 15 Jahren hat die Branche mit Auslastungen unterhalb der branchenüblichen 86,5 % kämpfen müssen (zu Anfang des Jahrzehnts in der Krise, ausgelöst durch die Ereignisse des 11. Septembers und Ende der 1990er Jahre, ausgelöst durch die Asienkrise).

In beiden Fällen musste die Branche nicht gegen lang anhaltende Rezessionen bestehen, die Zeiträume, die es zu überbrücken galt beliefen sich lediglich auf ein bis zwei Jahre, rückblickend muss man hier also eher von kurzfristigen Einbrüchen sprechen als von echten Krisen.

Am Anfang der 1990er Jahre musste die Branche letztmalig ähnliche Herausforderungen bewältigen wie heute.
Andererseits hatte die Branche auch kaum zuvor eine so lang anhaltende Positiventwicklung zu verzeichnen, in denen die Unternehmen sich „Speck anfressen“ konnten. Wenn man sich also die Pro und Contra Argumente anschaut, wie gut der Maschinenbau auf die Krise vorbereitet ist, so halten sie sich bei oberflächlicher Betrachtung die Waage.

Nicht außer Acht lassen darf man an dieser Stelle die heterogene Struktur der Branche, die durch wenige Konzerne und einen hohen Anteil mittelständischer Unternehmen geprägt ist.

Bei 88,7 % der Unternehmen handelt es sich um Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern. Diese Betriebsgrößenklassen sind tendenziell höher gefährdet als Großunternehmen, da sie weniger Möglichkeiten haben, ihre Aktivitäten und damit ihre Risiken zu streuen. Die Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung weniger Kunden in wenigen Abnehmerbranchen in wenigen Abnehmerregionen ist bei diesen Unternehmen deutlich ausgeprägter als in Konzernen und großen mittelständischen Unternehmen.

In den ca. 89 % kleinerer mittelständischer Betriebe sind fast die Hälfte aller im Maschinenbau tätigen Mitarbeiter beschäftigt. Noch greifen hier die Regelungen zur Kurzarbeit und die kurzfristigen Stützungsmaßnahmen des Staates.

Bei einer anhaltenden Rezession jedoch – wie sie momentan erwartet wird – werden diese Unternehmen nicht mit Hilfe der kurzfristigen Maßnahmen überleben können, sie müssen sich langfristig und nachhaltig auf die neue Situation einstellen und ihre Kapazitäten anpassen.

Dies schon allein aus dem Grund, weil die derzeitigen Rückgänge nicht ausschließlich aus der  Weltwirtschaftskrise herrühren, die sich an die Finanzkrise anschloss, sondern weil die Hauptabnehmerbranchen Automobilhersteller und Automobilzulieferkonzerne an Überkapazitäten leiden, die nichts mit der Finanzkrise zu tun haben, sondern durch Investitionsentscheidungen der 1990er Jahre bedingt sind.

Vor diesem Hintergrund muss man die Situation kleinerer mittelständischer Maschinenbauunternehmen als hochgefährdet ansehen, sofern sie sich nicht auf bestimmte Marktnischen (z. B. Medizintechnik, Messtechnik etc.) fokussiert haben. Für diese Betriebe stellen lediglich eine grundlegende Überprüfung der eigenen Wertschöpfung und der Abnehmerbranchen sowie eine langfristige strategische Neuorientierung Optionen für das Fortbestehen dar und nicht das „Konjunkturhilfe-Pflaster“, was kurzfristig auf die Wunde dramatisch rückläufiger Auftragseingänge geklebt wurde.

Gestatten Sie mir eine kurze Schlussbemerkung, um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn das Pflaster erst einmal die Blutung stoppt und dem Unternehmen damit die Zeit verschafft, um den Sanierungsprozess erfolgreich meistern zu können, erfüllt es durchaus seinen Zweck. Insofern ist das Nutzen der aktuellen Möglichkeiten, die die Bundesagentur für Arbeit und die Kreditanstalt für Wiederaufbau bieten, selbstverständlich eine Hilfe. Den betroffenen Unternehmen sollte jedoch klar sein, dass diese Krisenpakete lediglich ein Baustein sind, um die kurzfristigen Probleme zu überbrücken und die eigentliche Arbeit darin besteht, die Betriebe langfristig an den Markterfordernissen auszurichten.